Seipp News | Wissenswertes über die großen Designer aus zwei Jahrhunderten, über Aktuelles aus der Welt des Einrichtens, Möbelkulturelles und mehr.
Im Gespräch
mit Doris Gaßmann, Innenarchitektin bei Seipp Wohnen
Die Redaktion: Frau Gaßmann, wenn Sie die Begriffe Bauhaus-Klassiker oder -Designer googeln, stehen Namen wie Mies van der Rohe, LeCorbusier, Eames oder Eileen Gray ganz oben auf der Trefferliste. Welche Rolle spielten diese Designer im Bauhaus?
DG: Der Begriff „Bauhaus“ ist ein Symbol für die Moderne geworden, ein Schlagwort, das den dort entstandenen Stil reduzierter Gestaltung beschreibt. Mies van der Rohe war der letzte Bauhaus-Direktor. Le Corbusier, Eames und Eileen Gray haben mit dem Bauhaus nichts zu tun, hatten aber konzeptionell gleiche Ansätze in ihrer Arbeit, deswegen findet man sie auch unter diesem Begriff.
Die Redaktion: Wie ist das Bauhaus entstanden?
DG: Walter Gropius gehörte mit Le Corbusier, Mies van der Rohe und Frank Lloyd Wright zu den einflussreichsten Architekten zu Beginn des 20. Jahrhunderts und wurde vom sächsischen Großherzog zum Direktor einer bestehenden Hochschule für Kunstgewerbe und einer Schule für Bildende Kunst ernannt.
Gropius vereinte beide Schulen zum „staatlichen Bauhaus Weimar“ und machte damit klar, dass die Einheit von Kunst und Handwerk das Hauptziel sein sollte. Die herkömmliche Trennung wollte er eliminieren. Das Ergebnis sollte ein fertiges Gebäude im Sinne eines Gesamtkunstwerks sein, zu dem jeder Künstler-Handwerker seinen Beitrag leisten sollte. Er hat das Akademische herausgenommen, die Lehrer waren Meister und keine Professoren mehr.
Vieles vom Bauhaus ist heute noch so relevant, weil die Meister eben nicht in Kategorien wie schön und hässlich gedacht haben.
Es ging doch um pure Funktionalität, das macht das Bauhaus so interessant. Es ging um intelligentes Design, nicht um schönes Design. Schönheit ist doch ein leerer Begriff.
Philippe Starck
Die Redaktion: Was genau ist beim Bauhaus passiert? Was macht diese Institution so besonders?
DG: Gropius gelang es, eine Reihe ausgezeichneter Lehrer (Paul Klee, Wassily Kandinsky, Oskar Schlemmer, Johannes Itten, Lyonel Feininger, Marcel Breuer) am Bauhaus zu engagieren, die später alle weltberühmt wurden. Ihre Lehren und Visionen hatten eine geballte Kraft. Neu war die Verschmelzung von Kunst und Handwerk, dazu die enge Zusammenarbeit mit der Industrie. Auch humane und soziale Aspekte spielten eine wichtige Rolle.
Um die Schule zu finanzieren, nahm man Bau- und Industrieaufträge an, deshalb war die Schule zum einen Lehrbetrieb und zum anderen Produktionsbetrieb. Die Bauhäusler versuchten, „zeitgemäßes“ Produktdesign und ebensolche Architektur zu entwickeln. Die daraus entstandenen Entwürfe waren aber in ihrer Klarheit und Funktionalität der Zeit weit voraus. Erst heute erfreuen sie sich breiter Beliebtheit.
Das Bauhaus genießt eine hohe Wertschätzung und wirkte sich stilprägend auf das gesamte Jahrhundert in der ganzen Welt aus. Es war die Wiege der Moderne.
Die Redaktion: Neben Weimar fallen immer wieder auch Orte wie Dessau und Berlin im Zusammenhang mit Bauhaus.
DG: Als staatliche Hochschule war man auf die finanzielle Unterstützung des Landes angewiesen. Obwohl man versucht hatte, die Institution neutral zu führen, war man politischen Machtverhältnissen ausgesetzt und musste daher immer wieder umziehen, zuerst von Weimar nach Dessau. In Dessau entstand der berühmte Neubau der Schule nach einem Entwurf von Gropius. Später musste man für noch kurze Zeit nach Berlin umsiedeln. Die Nationalsozialisten hatten die Schule linkspolitisch eingestuft und Moderne Kunst galt als entartet. Schließlich wurde das Bauhaus 1933 unter dem politischen Druck von seinen Meistern aufgelöst.
Die Redaktion: Gab es auch andere, dem Bauhaus ähnliche Bewegungen?
DG: Es gab eine Bewegung in Holland, die deStijl-Gruppe, die eine radikale, abstrakt geometrische Gestaltung in Design und Architektur verfolgte. DeStijl stand in Kontakt mit den Bauhäuslern und hat diese stark beeindruckt und inspiriert. Das ist an den Bauhaus-Objekten ablesbar.
Die Redaktion: Wie intensiv haben Sie selbst sich mit der Bauhaus-Epoche auseinander gesetzt?
DG: Das Bauhaus setzte Maßstäbe in Entwurf und Lehrmethoden, die heute noch an den Hochschulen vermittelt werden. Auch wenn das Bauhaus nur 14 Jahre bestand, lebt dieser Geist heute in uns allen weiter. Außerdem: Less is more.
Bei unserem Jubiläum „100 Jahre Seipp“ haben wir diese Dekade auch in einer Sonderausstellung dargestellt. Zu diesem Anlass haben wir sogar ein Klassiker-Buch herausgegeben. Dieses Buch ist einfach super - Sie können sich darin ganz schnell einen Überblick über die Design-Geschichte von 100 Jahren verschaffen. Die darin gezeigten Möbel werden heute alle noch produziert. Und einige herausragende Objekte stellen wir aktuell in einer kleinen Ausstellung in Waldshut aus. Das Buch steht übrigens unter www.seipp.com zum Download zur Verfügung.
Die Redaktion: Gerade die Bauhaus-Klassiker gehören zu den meistkopierten Möbelstücken. Was sagen Sie zum Thema Plagiate?
DG: Kaufen Sie das Original!
» Lebensgefährten – Bericht über einen besonderen Lounge Chair